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16. Bericht aus Rumbek, 01. März 2009

Seit gut einem Monat bin ich zurück in Rumbek, inzwischen für mich nach Mailand eine weitere "Zweite Heimat"! Wer hätte gedacht, dass es einmal so weit kommen würde? Zu meinem Lebensgefühl in Rumbek passt das Lied von Marius Müller Westernhagen "Wieder hier", in dem es heißt: "...Ich rieche den Dreck, ich atme tief ein und dann bin ich mir sicher, wieder zuhause zu sein." Jetzt bin ich unter neuen Vorzeichen hier, als Mitarbeiter der Deutschen Diakonie Katastrophenhilfe, für die ich hier in den vergangenen zwei Jahren Baumaßnahmen an Gesundheitseinrichtungen abgewickelt habe. In meiner neuen Tätigkeit ist es meine Aufgabe, den Rückzug der Diakonie aus Sudan vorzubereiten und die elf Gesundheitseinrichtungen, die sie betreibt, bis Ende 2010 an eine andere Organisation zu übergeben. In Vorbereitung auf diese neue Tätigkeit hatte ich im vergangenen Jahr ein umfangreiches Kursprogramm zu absolvieren. Das ist der Grund für meine spätere Rückkehr in den Sudan, die für Ende August 2008 geplant gewesen war. Nach so langer Abwesenheit war ich gespannt, was mich hier erwartete, wie sich Rumbek inzwischen weiter entwickelt haben würde und insbesondere, in welchem Zustand ich mein Haus vorfinden würde.

In Rumbek gelandet wurden wir wie erwartet durch einen Hitzeschwall empfangen. Mein Haus, in dem absprachegemäß jemand gewohnt hatte, war geräumt. Es war soweit alles in Ordnung abgesehen von kleineren Schäden am Wandputz und im Zementboden. Die Solaranlage nahm nach erfolgter Installation ihren Betrieb reibungslos wieder auf, für Licht am Abend war also gesorgt.

Im Laufe der vergangenen Monate hatten sich die Kinder der Nachbarschaft zu sehr daran gewöhnt, auf dem Grundstück ein und aus zu gehen, dabei jede noch so abwegige Spielmöglichkeit nutzend. Begünstigt wird das dadurch, dass gerade jetzt, nach etwa zwei Jahren Standzeit, der Bambuszaun von den Termiten zerlegt wird und einfach keinen Schutz vor unbefugtem Zutritt mehr bietet. So hatte ich die netten Kleinen von früh morgens bis abends zu Gast. Sie sind ja eigentlich wirklich ganz nett. Aber sie sind wahre Zerstörer! Sie zerlegen, was Ihnen in die Quere kommt, mit der gleichen Entschlossenheit wie die Termiten, die einfach alles auffressen. Sie fummeln an allem herum, bis es kaputt ist, klettern auf alles drauf, bis es zerbricht, und entwenden alles, was sie finden und tragen können. So gesehen sind sie eine echte Plage! Das Dumme ist, dass sie in ihrer Erziehung den Stock gewohnt sind. Sie wissen, wenn der gezückt wird, ist es ernst, und ziehen daraus den Umkehrschluss: wenn er nicht benutzt wird, kann es nicht ernst gemeint sein. Wie kann ich mich da verständlich machen? Da meine Fenster noch keine Vorhänge haben, habe ich es vorgezogen, vorübergehend erst einmal in meinem Zimmer im Zelt zu schlafen. Waschen und Zähneputzen findet inmitten von Zuschauern statt. Eine Toilette, die zu verschließen wäre, gibt es nicht. Bisher war das kein Problem. Die Bude ist hinten geschlossen und nach vorne durch Gebüsch sichtgeschützt. Jetzt, in der Trockenzeit, sind vom Gebüsch noch ein paar trockene Zweige übrig. Da ist es von Nachteil, ständig Kinder da spielen zu haben. Es war mühsam sie davon zu überzeugen, mich wenigstens morgens und abends in Ruhe zu lassen. Tagsüber wurde von meinen Vorräten erst genascht (der Vorratsraum hatte noch keine Tür!), später wurden die Lebensmittel einfach mitgenommen. Mal fehlte der Zucker, dann das Milchpulver, dann die Marmelade. Schließlich fingen die Kinder an, mit dem Benzinkocher zu spielen. Eines abends fand ich die Reste einer Benzinlache, bevor sie sich verflüchtigt hatte, auf dem Boden. Alles Reden mit den Frauen -Müttern und Schwestern, die nebenan wohnen- half nichts. "You make door" ("Mach eine Tür"), hieß es nur lapidar. Inzwischen ist die Tür fertig. Nach wie vor kommen die Kinder "spielen". Jeden Abend heißt es für mich erst einmal sauber machen, Veranda fegen und Müll einsammeln. Mein Tisch ist zu Bruch gegangen. Es wird wirklich Zeit, den Zaun zu reparieren. Die Frauen, die Englisch verstehen, habe ich angesichts des Sperrmülls auf der Veranda gebeten, den Kindern bitte klar zu machen, dass ich in meiner Abwesenheit niemanden an meinem Haus wünsche. Zu meiner Enttäuschung waren sie nicht bereit, zu übersetzten, warum auch immer. Das hat mich auch geärgert. Denn was spricht dagegen, meinetwegen einmal mit den Kindern zu reden? An dem Abend habe ich aufgehört (wenigstens vorübergehend), den Frauen ihre Handytelefone aufzuladen und ihnen auch erklärt, warum, weil ich nämlich enttäuscht bin, dass sie mir in der Sache nicht helfen wollen, während ich Ihnen jeden möglichen Gefallen tue. Ob sie mich verstehen, weiß ich nicht. Es tut mir zwar Leid, aber im Moment fühle ich mich besser so. Ich kann nicht immer nur irgendwelche Hindernisse in den Traditionen der fremden Kultur vermuten und vorsichtshalber Verständnis dafür aufbringen. Wenn so etwas der Hinderungsgrund ist, dürfen die Dinka auch ruhig wissen, dass das ein Problem für ein Zusammenleben mit einem Ausländer sein kann.

Abgesehen von diesen atmosphärischen Störungen verstehe ich mich mit meinen Gastgebern und Nachbarn aber sehr gut! Ich habe selbst auch zum Missverständnis bezüglich der Nutzungsberechtigung meines Grundstücks beigetragen, indem ich die Kinder zu sehr verwöhnt habe mit Mitbringseln aus Deutschland wie Luftballons und Bonbons und als besondere Attraktion: Video! Speziell für die Kinder habe ich einige Zeichentrickfilme in Deutschland gekauft. Der absolute Renner ist das "Dschungelbuch" von Walt Disney. Das sehen sie lieber zum zwanzigsten Mal als einmal ein anderes. Es ist ja auch wirklich ein guter Film, nicht nur für Kinder, wie ich finde, und es macht Spaß, die Kinder so fasziniert zu sehen. Dabei muss man auch das kritisch hinterfragen! Denn während wir bei uns die Kinder vom Fernsehen weg zu locken und für andere Beschäftigungen zu interessieren versuchen, ist das hier der erste Schritt hin zum Konsum von Unterhaltung. "Wehret den Anfängen", könnte man sagen! In der Theorie der Entwicklungshilfe spricht man von "Do no harm!" (Füge keinen Schaden zu!"). Es wird zu leicht Schaden angerichtet mit einem Angebot, das mit besten Absichten gemacht wird! Viele wirklich gut gemeinte Entwicklungshilfeprojekte der Vergangenheit haben geradezu desaströse Wirkung gehabt! In jedem Fall lohnt es sich, eine Maßnahme kritisch zu beleuchten. Was das Video Gucken betrifft, werde ich es weiter anbieten, aber nur eher selten dazu einladen.

Gleich nach meiner Rückkehr nach Rumbek habe ich den Kontakt zu meinen Bauarbeitern und den Chiefs der Gemeinden aufgenommen. Richtig muss ich sagen, dass es in Mabor Ngap, dem Stadtteil, in dem die erste Schule liegt, nie eine Gemeindvertretung gegeben hat, sondern nur in Malual Akan für die Panda School. Dort haben wir aber gleich am ersten Sonntag eine Besprechung gehabt, die aus meiner Sicht auch gut verlaufen ist. Leider ist es aber dabei geblieben. Bei zwei Folgeterminen ist außer mir niemand erschienen und von dem Besprochenen ist in den nächsten Tagen und Wochen auch nichts umgesetzt worden. Weil im vergangenen Jahr Joseph Makol und seine Leute ja nur 2 1/2 Wochen gearbeitet haben, ist damals eine ganze Menge Sand liegen geblieben. Um den in der Regenzeit nicht zu verlieren, habe ich ihn in ein Klassenzimmer schaufeln lassen. Jetzt hieß es einfach, der Sand sei leider von den Kindern verdreckt und verschwendet worden. Den zu säubern war nun Aufgabe der Leute der Nachbarschaft, weil ich ihnen klar gemacht habe, dass ich nicht bereit bin, noch einmal 1000 Dollar für den Sand zu investieren, nur weil sie nicht auf die Kinder aufpassen können. Es ist nichts passiert! Nach einem Monat schließlich hat sich einer der Bauarbeiter bei mir gemeldet und in Eigeninitiative das erledigt, was eigentlich die Community hätte machen sollen. Er ist inzwischen dabei, die letzten Maurerarbeiten an dem zweiten Doppelklassenzimmer auszuführen. Gleichzeitig stellt Abel Ater die Toilettenanlage fertig.

An der anderen Schule hat es gut einen Monat gedauert, bis der Lagerraum aufgeräumt war, so dass die Baustoffe geliefert werden konnten. Es ist erstaunlich, für eine Arbeit, die in zwei Stunden erledigt werden kann, brauchen die Dinka hier einen Monat! Und diese Wochen in der kostbaren Trockenzeit sind für die Bauarbeiten wieder verloren! Inzwischen hat dort Santino Gai seine Arbeit wieder aufgenommen und es gibt Grund zu der Hoffnung, dass das Lehrerbüro irgendwann im Laufe dieses Jahres fertig werden kann.

Heute schreibe ich aus Juba, der Hauptstadt von Südsudan, wo ich  mich im Rahmen der neuen Tätigkeit eine Woche aufhalte. Die Stadt hat sich enorm weiterentwickelt seit ich Anfang 2006 hier war, es ist kein Vergleich zu Rumbek. Juba ist eine richtige Stadt, zwar sichtbar lädiert nach dem langen Krieg ist ihre Entwicklung jetzt von einem regelrechten Bauboom geprägt, von dem Rumbek noch weit entfernt ist. Da sind in den vergangenen Monaten die ersten (vielleicht drei) Gebäude, eingeschossig, entstanden, die richtige Fenster mit Glasscheiben haben, während in Juba reihenweise Neubauten entstehen, die auch in Deutschland in Gewerbegebieten stehen könnten! Ich werde es wohl nicht mehr erleben, dass in Rumbek die erste Straße asphaltiert wird. Und wenn, dann ist es Zeit für mich, eine neue Aufgabe zu suchen.


Herzliche Grüße, Martin Grütters

 

Nachtrag vom 15. März 2009

Auf dem Bild oben ist das Dorf Duony (sprich "Duoin") zu sehen. Es liegt etwa 50 Km von Rumbek entfernt,  20 Km weit abseits der Hauptstrasse in Richtung Nordwesten nach Wau. Ich habe den Kontakt zum Commissioner von Cueibet Mr. Kon Gor wieder aufgenommen, um der Gemeinde -wie im letzten Jahr versprochen- beim Bau ihrer Schule zu helfen (siehe 13. Bericht). Leider war das Dorf gut zwei Monate lang verlassen, weil es auch hier wegen einer Stammesfehde zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen war. Jetzt hat sich die Lage beruhigt und die ersten Bewohner kehren zurück. Die Hütten sind teilweise zerstört und insgesamt macht alles einen tristen Eindruck. Immerhin, ein Großteil der Ziegelsteine, die mir schon letztes Jahr gezeigt worden waren, ist noch verfügbar und es gibt einige brauchbare Holzbalken. Unter den Leuten, die ich antraf, als ich zur Kontaktaufnahme dorthin gefahren bin (mit freundlicher Unterstützung der Diakonie, deren Auto ich benutzen konnte!), war einer der Chiefs. Er war sichtlich erfreut mich wieder zu sehen. Das Angebot zur Hilfe von außen ist sicher gerade zu diesem Zeitpunkt besonders willkommen.

Dieses Projekt wird ein ganz anderes sein, als die ersten beiden Schulbauten. Hier muss es wirklich eine Initiative der Einheimischen sein, die ich nur unterstütze mit dem, was nur mit Geld zu beschaffen ist und die Gemeinde nicht leisten kann. Ich habe es auch nicht eilig. Was am Ende herauskommt wird davon abhängen, was das Dorf unter den gegebenen Umständen schaffen kann. Allerdings ist es mir ernst mit dem Vorhaben, ich will, dass es gelingt die Initiative der Gemeinde zu stärken. Angesichts des nahenden Endes der Trockenzeit habe ich deshalb auch mit Elan begonnen. Denn das Dorf liegt etwas erhaben in einem ausgedehnten Sumpfgebiet, weshalb es in der Regenzeit nicht erreichbar ist. Am vergangenen Wochenende war ich noch einmal vor Ort. Ich war mit dem Rad aus Rumbek gekommen, dann aber in Abiriu, dem Ort, wo man von der Hauptstrasse abbiegt, aufgehalten worden. Es war der Chefsekretär des Commissioners, der mir nahe legte, besser mit ihm auf dem Motorrad zu fahren. Sicherheitshalber hat er von zuhause seine Kalaschnikow mitgenommen und dann ging es in einem wilden Ritt, nach dem die Beine von Striemen und Kratzern zerschunden waren, durch den Busch. Die Bezirksregierung wird einen LKW zur Verfügung stellen, mit dem Steine und Sand angeschafft werden. Dafür habe ich 3 Fässer Diesel gekauft, 10 Schaufeln und 8 Hämmer zum zerkleinern der Steine zu Betonzuschlag. Das soll Ende März erledigt sein. Dann wird der große Container von der Panda Schule in Rumbek nach Duony verfrachtet, wo er als Lager der Baustelle und später der Schule dienen soll. Über meine Informanten in Rumbek weiß ich, dass um die Zeit ein Autokran und ein 12m-Sattelschlepper in Rumbek sein werden, mit denen der Transport bewerkstelligt werden kann. Sollte das vor der Regenzeit nicht gelingen, wäre leider ein halbes Jahr verloren! Über alles Weitere werde ich dann das nächste Mal berichten.

Noch einmal viele Grüße, Martin Grütters
 

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Das Konto ist inzwischen geschlossen! Ganz herzlichen Dank noch einmal an alle, die zu den Projekten der vergangenen Jahre ihren Beitrag geleistet haben!

 

 

Die folgenden Links führen zu den früheren Berichten:

1. Bericht aus Rumbek, 15. Mai 2005 (Die ersten Eindrücke)

2. Bericht aus Rumbek, 18. Juni 2005 (Hilfsprojekt für IDPs)

3. Bericht aus Rumbek, 21. August 2005 (Erstaunliches aus der Dinka-Kultur)

4. Bericht aus Rumbek, 20. Oktober 2005 (Über das Leben der Menschen  in Rumbek)

5. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2005 (Die Schule Mabor Ngap, Rumbek)

6. Bericht aus Rumbek, 05. März 2006 (Der Neubau der Schule Mabor Ngap, Rumbek)

7. Bericht aus Afrika, 28. April 2006 (Am Ende meines ersten Jahres)

8. Bericht aus Rumbek, 10. September 2006 (Nach dem Aufenthalt in Deutschland)

9. Bericht aus Rumbek, 01. November 2006 (Fortschritte bei der Projektarbeit)

10. Bericht aus Rumbek, 04.Februar 2007 (Langsamkeit als Therapie)

11. Bericht aus Rumbek, 31. Mai 2007 (Der Abschluss des zweiten Jahres)

12. Bericht aus Rumbek, 1. Dezember 2007 (Neuanfang als Selbständiger)

13. Bericht aus Rumbek, 22. März 2007 (Volldampf an den Baustellen)

14. Bericht aus Rumbek, 26. April 2007 (Langsamkeit und Stagnation)

15. Bericht über die Arbeit in Rumbek, 30. Juli 2008 (Am Ende des dritten Jahres)

17. Bericht aus Rumbek, 04. April 2009  (Sand im Getriebe)

18. Bericht aus Rumbek, 25.Juni 2009  (noch mehr Sand im Getriebe)

19. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2009 (Das Ende ist nah!)

20. Bericht aus Rumbek, 31. März 2010  (Start der letzten Runde)

21. Bericht aus Rumbek, 04. September 2010 (Auf zum letzten Gefecht)

22. Bericht aus Rumbek, 12. Dezember 2010 (Wirklich der letzte?)

Der letzte Bericht (Ende gut, alles gut!)