5. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2005 Es weihnachtet sehr! Ich kann mich lebhaft an die Vorweihnachtzeit in Deutschland erinnern. Es war anstrengend, und soviel ich weiß, ist es in diesem Jahr nicht anders. Mein Schwager spricht von "Besinnungsterror" und ein Freund stellt fest "In Münster ist Krieg". Eine rhetorische Wendung, so schlimm wird es nicht sein. Doch mir hallt das Credo meines Vaters im Ohr: "Maß ist zu allen Dingen gut!" Ich glaube, er hat Recht, und wer auf dem Weihnachtsmarkt in einem Schützengraben Deckung findet und zur Ruhe kommt, der möge sich dessen besinnen! Derartige Probleme kennen wir hier nicht. Es ist hochsommerlich heiß, windig und staubig. Wie soll da Weihnachtstimmung aufkommen? Ich habe sehr viel Arbeit, über die ich hier berichten möchte. Nachdem das goldene Jubiläum der Diözese von Rumbek Ende November gefeiert war, habe ich die Arbeit an einem eigenen Projekt aufgenommen. In unmittelbarer Nachbarschaft der Kommunität der Jesuiten gibt es eine Nursery School, also einen Kindergarten/eine Vorschule. Sie wurde 2001 vom Schulleiter gegründet, der mit sechs Kollegen zurzeit 100-150 Kinder betreut. Die Schule wird unterstützt durch das World Food Programm WFP, das Lebensmittel für die Kinder und das Personal bereitstellt. Auch hier erhalten die Lehrer kein Gehalt sondern nur die Mahlzeit als Vergütung ihrer Arbeit. Diese Mahlzeit ist für die Kinder wohl der Hauptanreiz für den Besuch der Schule.
Wie sieht so eine Schule in Rumbek aus?
Die Durchführung solcher Projekte ist hier in Rumbek durch viele Handicaps erschwert. Da es nur wenige Händler und keinen Wettbewerb gibt, gleichzeitig aber in der Trockenzeit alle Bauvorhaben abgewickelt werden müssen, sind die Preise hier sehr hoch. Das Hauptproblem ist der Transport der Materialien. Wer besitzt schon einen LKW? Die Diözese hat ihren in allen Baustellen der verschiedenen Missionsstationen im Einsatz. Auf dem freien Markt kostet ein Truck zur Miete 250,-$ pro Tour (nicht pro Tag)! Man kann nur auf gute Beziehungen und Hilfe hoffen, um ungeschoren davon zu kommen. Ich werde die Blauhelme der UN kontaktieren, um nach den Möglichkeiten für Unterstützung zu fragen.
Und es warten noch andere Überraschungen und Schwierigkeiten, auf die
unsereiner nicht vorbereitet ist. Am Samstag war ich bei der Polizei und
wurde verurteilt! Ich hatte für die Schule Holz eingekauft und es bezahlt,
während es auf den Pickup verladen wurde. Das war vereinbarungsgemäß im
Preis inklusive und dauerte ca. 10 Minuten. Als alles erledigt war kam
eine Gruppe von vier jungen Männern und begann eine Diskussion mit dem
Händler. Ich verstand nichts, aber es war mir klar, es konnte nur um 's
Geld gehen. Ich fühlte mich in keiner Weise betroffen und war, nichts
Böses ahnend, im Begriff zu fahren, als drei der vier hinten auf die
Ladefläche sprangen und einer auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Mit
freundlichen Worten und sanfter Gewalt zwangen sie mich, zur
Polizeistation zu fahren. Na schön, dachte ich, da wird man sie schon
zurecht stutzen. Von wegen! Nach langem Warten, ich schon stocksauer, war
dann der väterliche Rat des Polizisten an mich, besser zu zahlen, man
könne leicht "very strickt" mit mir werden. Also die offene Androhung von
Gewalt mir gegenüber vor der Polizei, die das auch noch unterstützt! Ich bin froh, mit diesem Projekt vor allem den Kindern zu helfen zu können. Die freuen sich immer über meinen Besuch und sind friedlich (überwiegend). Als erste Vertrauen bildende Maßnahme habe ich für die Schule Bälle eingekauft und eine weitere Schaukel gebaut. Aus massivem Mahagoni-Holz, schön glatt gehobelt und geschliffen, damit sich kein Kinderpopo verletzt! Ich meine, wer will das verantworten? Die Kinder freuen sich, müssen sich aber noch daran gewöhnen, für sie ist das hier wie Achterbahn fahren für Kinder in Deutschland, einfach zu aufregend! Eine weitere sinnvolle Verwendung der Spendengelder habe ich in der Unterstützung von schwer behinderten Menschen gefunden, die auf Knien und Händen durch den Sand kriechen und die dringend auf Hilfe durch Tricycles angewiesen sind. Als ich erfuhr, dass es im Krankenhaus mit einer Abteilung für Orthopädie und einer Werkstatt für Prothesen kein Budget für diese Dreiräder gibt, habe ich darum gebeten sie anfertigen zu lassen, um sie vom Budget zu bezahlen. Leider ist die Bezahlung auf typisch afrikanische Art irgendwie verschlafen worden, so dass sich die Auslieferung verzögert. Jetzt sind sie auf dem Weg von Nairobi hierher, und wir warten gespannt mit den Patienten. Leider kann ich noch keinen Vollzug melden. Aber ich werde es umgehend tun, wenn es soweit ist, und mit ein paar Fotos die Freude der Empfänger festhalten. An dieser Stelle möchte ich noch einmal allen danken, die mir schon Geld durch eine Spende anvertraut haben! Ein besonderer Gruß geht noch einmal an die Schüler der Grundschule in Münster, inzwischen Klasse 3a, denen ich den letzten Bericht gewidmet hatte, und die weiterhin mit ihren Aktivitäten sammeln, und an meine Heimatgemeinde in Münster, die auf einer Veranstaltung einen großen Betrag gesammelt und diesem Projekt gespendet hat. Allen viele Grüße und ganz herzlichen Dank für die Unterstützung! Ich würde sehr gerne allen Spendern persönlich danken! Leider ist mir das kaum möglich. Deshalb möchte ich alle Leser bitten, meinen Dank an andere weiter zu geben bei den persönlichen Begegnungen. Sehr wichtig ist es auch, mit anderen über Afrika und überhaupt die dritte Welt zu sprechen! Je mehr man darüber weiß, umso mehr kann man das Leben zuhause genießen!
Aus Rumbek, Martin Grütters
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Spendenkonto: Das Konto ist inzwischen geschlossen! Ganz herzlichen Dank noch einmal an alle, die zu den Projekten der vergangenen Jahre ihren Beitrag geleistet haben! |
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Die folgenden Links führen zu den weiteren Berichten: 1. Bericht aus Rumbek, 15. Mai 2005 (Die ersten Eindrücke) 2. Bericht aus Rumbek, 18. Juni 2005 (Hilfsprojekt für IDPs) 3. Bericht aus Rumbek, 21. August 2005 (Erstaunliches aus der Dinka-Kultur) 4. Bericht aus Rumbek, 20. Oktober 2005 (Über das Leben der Menschen in Rumbek) 6. Bericht aus Rumbek, 05. März 2006 (Der Neubau der Schule Mabor Ngap, Rumbek) 7. Bericht aus Afrika, 28. April 2006 (Am Ende meines ersten Jahres) 8. Bericht aus Rumbek, 10. September 2006 (Nach dem Aufenthalt in Deutschland) 9. Bericht aus Rumbek, 01. November 2006 (Fortschritte bei der Projektarbeit) 10. Bericht aus Rumbek, 04.Februar 2007 (Langsamkeit als Therapie) 11. Bericht aus Rumbek, 31. Mai 2007 (Der Abschluss des zweiten Jahres) 12. Bericht aus Rumbek, 1. Dezember 2007 (Neuanfang als Selbständiger) 13. Bericht aus Rumbek, 22. März 2007 (Volldampf an den Baustellen) 14. Bericht aus Rumbek, 26. April 2007 (Langsamkeit und Stagnation) 15. Bericht über die Arbeit in Rumbek (Am Ende des dritten Jahres) 16. Bericht aus Rumbek, 01. März 2009 (Wiedereinleben zuhause in Rumbek) 17. Bericht aus Rumbek, 04. April 2009 (Sand im Getriebe) 18. Bericht aus Rumbek, 25.Juni 2009 (noch mehr Sand im Getriebe) 19. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2009 (Das Ende ist nah!) 20. Bericht aus Rumbek, 31. März 2010 (Start der letzten Runde) 21. Bericht aus Rumbek, 04. September 2010 (Auf zum letzten Gefecht) 22. Bericht aus Rumbek, 12. Dezember 2010 (Wirklich der letzte?) |