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14. Bericht aus Rumbek, 26. April 2008

Wer kennt sie nicht, die „Selbst erfüllende Prophezeiung“? Auch wer den Begriff aus der Psychologie noch nicht aufgeschnappt hat, hat das schon erlebt. Ich selbst bin oft genug Opfer dieser Falle geworden, fast wöchentlich beim Samstagseinkauf, den ich nur so schnell wie möglich hinter mich bringen wollte. Da habe ich immer versucht, die vermeintlich kürzeste Schlange an der Kasse zu erwischen. Da schießt mir der Gedanke durch den Kopf "Na, wenn das man gut geht!" Und dann geht so einiges schief und an der kürzesten Schlange dauert es am längsten. Na ja, ob das mit der Theorie der „selbst erfüllenden Prophezeiung“ gemeint ist, weiß ich nicht. Aber so ähnlich. Jedenfalls ist wohl bekannt, dass wir im Hinblick auf ein Unterfangen den Verlauf mit unserer Einstellung, die sich auch in Gedanken und im Reden äußert, irgendwie beeinflussen und auch beeinträchtigen können.

Im letzten Bericht habe ich zufrieden von den Fortschritten am Bau des Doppelklassenzimmers in der Panda Schule berichtet. In nur einer Woche hatte das Mauerwerk 2  Meter Höhe erreicht, in der nächsten Woche war der Ringbalken betoniert. "Der Fertigstellung scheint nichts mehr im Weg zu stehen", habe ich im letzten Bericht geschrieben. Da schwingt ein leiser Zweifel mit! Hält sich allein darin eine Prophezeiung versteckt, noch dazu eine selbst erfüllende?  Tatsache ist, dass nach schwungvollem Beginn die Bauleute in den letzten vier Wochen einen einzigen Tag gearbeitet haben! Ich kann sie nur schlecht erreichen, und immer, wenn ich sie spreche, heißt es „O.k., bye!“ Ich bin mit meinem Latein am Ende! Joseph Makol und seine Kollegen habe ich zu den zuverlässigen ‚Partnern am Bau’ gezählt. Ich verstehe ihr Problem nicht und weiß nicht, wie ich sie zum Weitermachen motivieren kann. Der Monat, in dem viel hätte geschafft werden können, ist allemal verloren.

An dieser Schule arbeitet Abil Ater mit seinen Leuten weiter an der Toilettenanlage. Wie gewohnt langsam, aber wenigstens berechenbar in seiner Langsamkeit! Diese Tage ist die Stahl bewehrte Betonplatte über der Grube betoniert worden. Auch das ging mit Haken und Ösen vonstatten. Ich selbst hatte Eisenstangen geschnitten und Bewehrungskörbe für Betonbalken zusammen gebunden. Bei einem Besuch vor Ort sah ich dann, dass die Bewehrung nicht vollständig war. Irgendwelche Jungs hatten wieder mal geklaut, diesmal eben Eisenstangen. Das wird aber nicht etwa mir berichtet, so dass Abhilfe geschaffen werden kann, sondern es wird einfach ohne die Bewehrung betoniert, wenn ich es nicht zufällig vorher entdecke.

Die andere Baustelle der Mabor Ngap Schule habe ich zum Katastrophengebiet erklärt! Nach fünf Wochen vergeblichen Wartens auf die Erstattung des von einigen Lehrern geklauten Zements habe ich vor jetzt drei Wochen schriftlich den Minister darüber informiert, dass die Zeit nicht mehr ausreicht, um das Lehrerbüro zu bauen. Ich könne bestenfalls noch die Fundamente und die Betonplatte fertig stellen, wenn die Erstattung gewährleistet werden könnte. Einige Tage später konnte ich ihn persönlich sprechen, und im Nu war der Fall in meinem Sinn geklärt. Er wies seinen Oberlagerverwalter an, mir aus seinem Bestand Zement zu bringen, wie vor Ort benötigt. Sofort habe ich Santino, den Contractor informiert, er solle seine Leute mobilisieren, und von zwei verschiedenen Fuhrunternehmern Sand und Steine geordert. Weder Sand noch Steine wurden geliefert, morgen nicht, übermorgen nicht, Montag, Dienstag, Mittwoch nicht. Dann gibt es die üblichen Ausreden als Erklärung und „übermorgen aber ganz bestimmt!“ Die ganze Woche passierte nichts! Mit Hilfe des Schulleiters wurde die Materialanlieferung dann mit anderen Transportern bewerkstelligt. Ich fahre also zum Ministerium, um 6 Sack Zement für den nächsten Tag zu ordern. „Jawohl, wird gemacht, morgen um 8:00h!“ Dann zu Santino. „O.k., morgen um 8:00h sind wir da!“ Die kommenden Tage dann die Meldungen der Lehrer: „Kein Zement!“ „Santino ist nicht gekommen.“, „Zement immer noch nicht geliefert!“, „Von Santino keine Spur!“ So ging es wieder vier Tage lang, heute ist Samstag und die Woche verloren! Am Ministerium, so hieß es gestern, waren alle Fahrzeuge defekt und fahruntauglich. Santino war einige Tage in ein „Clan fighting“, eine kriegerisch ausgetragene Familienfehde verwickelt, in deren Verlauf 58 Menschen getötet und sehr viele verwundet worden sind. So ist das hier in dieser Gegend, solche Ereignisse werfen die Entwicklung doch erheblich zurück. Man muss noch froh sein, dass Santino selbst verschont geblieben ist. Er macht aber, wen wundert 's, einen sichtbar gedrückten Eindruck. Heute soll nun endlich der Zement gebracht werden, so dass dann ab Montag ganz bestimmt (Prophezeiung!) zügig gebaut werden wird!

Ich selbst habe zu allem Überfluss vom Bischof ausgerechnet jetzt eine recht umfangreiche Arbeit aufgetragen bekommen. Er reist Anfang Mai zum fundraising (Geldeintreiben) nach Europa und benötigt dazu für einige kleinere und größere Baumaßnahmen Zeichnungen und Kostenberechnungen. Es konnte für mich nicht ungelegener kommen! Ich habe es nicht fertig gebracht, einfach kategorisch abzulehnen, weil ich mich einmal grundsätzlich angeboten hatte und es jetzt die erste Anfrage der Art vom Bischof selbst war. Wie kommt er nur auf die Idee, ich hätte Langeweile?

Es ist verrückt! Ich bin gezwungen, gelassen mit der Situation umzugehen, eine lockere Einstellung der Zeit gegenüber zu finden (dabei dreht sich mir das Innere nach außen!). In meinem Vortrag des letzten Jahres sorgte der Spruch der Afrikaner für Erheiterung: „Hör mal Weißer, ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit!“ Wenn ich den jetzt höre, denke ich nur: „Wir haben Schulen, ihr habt sie nicht!“

Der nächste Bericht wird dann der Abschlußbericht des dritten Jahres Ende Mai sein. Dann werden wir sehen, wie viel mehr Schule in Sudan fertig sein wird.

Herzliche Grüße aus Rumbek, Martin Grütters
 

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Die folgenden Links führen zu den weiteren Berichten:

1. Bericht aus Rumbek, 15. Mai 2005 (Die ersten Eindrücke)

2. Bericht aus Rumbek, 18. Juni 2005 (Hilfsprojekt für IDPs)

3. Bericht aus Rumbek, 21. August 2005 (Erstaunliches aus der Dinka-Kultur)

4. Bericht aus Rumbek, 20. Oktober 2005 (Über das Leben der Menschen  in Rumbek)

5. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2005 (Die Schule Mabor Ngap, Rumbek)

6. Bericht aus Rumbek, 05. März 2006 (Der Neubau der Schule Mabor Ngap, Rumbek)

7. Bericht aus Afrika, 28. April 2006 (Am Ende meines ersten Jahres)

8. Bericht aus Rumbek, 10. September 2006 (Nach dem Aufenthalt in Deutschland)

9. Bericht aus Rumbek, 01. November 2006 (Fortschritte bei der Projektarbeit)

10. Bericht aus Rumbek, 04.Februar 2007 (Langsamkeit als Therapie)

11. Bericht aus Rumbek, 31. Mai 2007 (Der Abschluss des zweiten Jahres)

12. Bericht aus Rumbek, 1. Dezember 2007 (Neuanfang als Selbständiger)

13. Bericht aus Rumbek, 22. März 2007 (Volldampf an den Baustellen)

15. Bericht über die Arbeit in Rumbek (Am Ende des dritten Jahres)

16. Bericht aus Rumbek, 01. März 2009 (Wiedereinleben zuhause in Rumbek)

17. Bericht aus Rumbek, 04. April 2009  (Sand im Getriebe)

18. Bericht aus Rumbek, 25.Juni 2009  (noch mehr Sand im Getriebe)

19. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2009 (Das Ende ist nah!)

20. Bericht aus Rumbek, 31. März 2010  (Start der letzten Runde)

21. Bericht aus Rumbek, 04. September 2010 (Auf zum letzten Gefecht)

22. Bericht aus Rumbek, 12. Dezember 2010 (Wirklich der letzte?)

Der letzte Bericht (Ende gut, alles gut!)