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20. Bericht aus Rumbek, 31. März 2010

Das bevorstehende Osterfest möchte ich zum Anlass nehmen, meine Berichterstattung aus Afrika fortzusetzen.

Die vergangenen  Wochen seit Anfang des Jahres waren recht anstrengend. Über Weihnachten war einer der Fahrer der Diakonie verhaftet worden, weil er für 2 Wochen mit seiner Freundin verschwunden war, ohne dass vorher der Brautpreis ausgehandelt worden wäre. Ein schweres Verbrechen im Land der Dinka! Deshalb war er nicht verfügbar, so dass ich zu den Baustellen der Diakonie mit dem Pickup selbst fahren musste. Ende Januar hatte ich einen Unfall. Ein junger Sudanese ohne Führerschein fuhr einen Kleinbus ohne Zulassung (so etwas gibt es hier auch!) das Rechtsfahrgebot ignorierend unbeirrt am äußeren linken Straßenrand, bis wir uns beim Vorbeifahren touchierten. Der Schaden am Pickup war gering, der Kleinbus dagegen schwerer beschädigt. Nach wiederholten, unsäglich nervenden Diskussionen auf der Polizeistation mit immer neuen blödsinnigen Auslegungen des Unfallhergangs wurde der Fall nach einer Woche beendet mit der Entscheidung, dass die Diakonie 30% des Schadens am Kleinbus zu zahlen habe. Warum, weiß keiner, denn mir wurde bis zum Schluss kein Fehler zur Last gelegt. Das Urteil war praktisch ein Freispruch, denn normalerweise zahlt hier letzten Endes immer der Weiße.

Ende Januar war ich wieder einmal wegen Malaria einige Tage lang unpässlich. Mitte Februar kam es im Projektgebiet der Diakonie, dort, wo wir bauen wollten, zu Kämpfen zwischen zwei Stämmen. Als das Waffenlager der Polizei in Cueibet ausgeraubt werden sollte, was diese nicht gern sah, eskalierte die Lage. Militär wurde angefordert, um für Ordnung zu sorgen. Die Soldaten waren in der Folge die größten Unruhestifter. Sie zogen plündernd und Brand stiftend durch die Stadt (links im Bild einige abgebrannte Tuculs). Läden und Privathäuser wurden ausgeraubt und auch Grundstücke von Entwicklungshilfeorganisationen nicht verschont. Meine Kollegen verließen den Standort, um auf Schleichwegen nach Rumbek zu fahren, von wo aus wir die Geschehnisse verfolgten. Das Grundstück der Diakonie wurde verschont dank unserer sudanesischen Fahrer, die wacker Wache hielten und die Plünderer zum Einlenken bewegten. Es dauerte gut 2 Wochen, bis die Lage sich normalisiert hatte und wir unsere Arbeit fortsetzen konnten. Der Fall verdeutlicht eindrücklich, wie weit der Südsudan noch von einem funktionierenden Staat entfernt ist. Er passt in ’s Gesamtbild wie der Vorfall damals im Jahr 2006, als ich -das einzige Mal bisher- ausgerechnet von der Polizei bei einem Sicherheitscheck ausgeraubt wurde.

Mitte März wurde es unerträglich heiß, ich hatte das Gefühl es wäre heißer als die Jahre zuvor. Der ständige Wechsel von Schwitzen drinnen im Büro und Abkühlung im schweißnassen Hemd in der Brise draußen hatte zunächst eine Erkältung zufolge, nicht weiter schlimm. Als ich aber einige Tage lang gar nicht mehr aufhörte zu schwitzen wie ich noch nie zuvor geschwitzt hatte, habe ich im Labor des Malteser Krankenhauses einen Test machen lassen, bei dem eine Salmonellenerkrankung diagnostiziert wurde. Die konnte dann behandelt werden, und nach einer Woche war es ausgestanden. Ärgerlich ist besonders der Gewichtsverlust, verursacht durch das maßlose Schwitzen bei gleichzeitiger Appetitlosigkeit. Jetzt bin ich wieder ein Spargeltarzan wie er im Buch steht. Mein Freund Martin M. in seiner unnachahmlichen Art würde -jetzt mit Recht- das Bild von der „tapezierten Fahrradspeiche“ bemühen.

Dann konnte ich meinen Erholungsurlaub antreten, der mir nach dem Dienstvertrag mit der Diakonie einmal pro Quartal zusteht. Ich nehme ihn zum ersten Mal und bin in einer Mission der Diözese von Lodwar im Norden Kenias. Dort arbeitet seit 2 Jahren Fr. Ruben aus Argentinien, den ich noch aus seiner Zeit im Sudan gut kenne.  Mit ihm habe ich einige Dörfer besucht, in denen er und seine beiden Mitbrüder die Fahne der christlichen Mission hoch halten und die Gemeinden und Schulen versorgen. Der ganze Norden Kenias ist wie der Süden Sudans noch sehr unterentwickelt und tatsächlich nicht vergleichbar mit dem, was ich bisher von Kenia gesehen habe. Wie groß der Bedarf an Unterstützung ist, zeigen die Bilder aus den Dörfern hier.

Die Kirche im Dorf Lopedru
 
Wohnhütten in Nakuamoma
 
Ein Klassenraum in Nakuamoma
 

Das Volk, nach der die Region benannt ist, ist das der „Turcana“. Die Turcana und die Nachbarstämme, die um den Turcanasee herum leben, fühlen sich gar nicht als Kenianer. Wenn jemand nach Nairobi reist, heißt es, er fährt nach Kenia. Ich bin auch deshalb hier, weil es für mich eine Option für die Zeit nach Rumbek ist, hier in irgendeiner Weise tätig zu werden.
 

In meiner ehrenamtlichen Arbeit in Rumbek habe ich mit dem Bau des öffentlichen Leseraums mit Bibliothek für die katholische Diözese begonnen. Dieses Mal haben wir als erstes den Zaun errichtet, so dass es keinen Diebstahl und sonstige Störungen geben kann. Das war an den beiden Schulen leider nie möglich, weil die Grundstücke bis heute nicht offiziell vermessen und demarkiert worden sind. Von dem in meinem Spendenkonto verfügbaren Mitteln haben wir außerdem den benötigten Sand besorgt, bevor der Fluss wieder Wasser führt, und Steine und Zement eingekauft. Die ugandischen Bauarbeiter haben Zementblöcke angefertigt, die Fundamente fertig gestellt und sind dabei, die Bodenplatte zu betonieren.

Das Haupttor zum Grundstück
 

Die fertigen Fundamente des Hauptgebäudes
 

Mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Jesuitenmission hoffen wir neben dem Hauptgebäude noch einen kleinen Bürotrakt und einen Toilettenblock bauen zu können. Bis die Gebäude mit Möblierung und einer Solaranlage ausgestattet und voll nutzbar sind, bedarf es noch einer besonderen Anstrengung. Wir sind optimistisch, alles in diesem Jahr abschließen zu können.

In diesem Sinne wünsche ich den Lesern und Spendern ein frohes Osterfest!

Aus Rumbek, Martin Grütters
 

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Afrika

Spendenkonto:

Das Konto ist inzwischen geschlossen! Ganz herzlichen Dank noch einmal an alle, die zu den Projekten der vergangenen Jahre ihren Beitrag geleistet haben!

 

 

Die folgenden Links führen zu den früheren Berichten:

1. Bericht aus Rumbek, 15. Mai 2005 (Die ersten Eindrücke)

2. Bericht aus Rumbek, 18. Juni 2005 (Hilfsprojekt für IDPs)

3. Bericht aus Rumbek, 21. August 2005 (Erstaunliches aus der Dinka-Kultur)

4. Bericht aus Rumbek, 20. Oktober 2005 (Über das Leben der Menschen  in Rumbek)

5. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2005 (Die Schule Mabor Ngap, Rumbek)

6. Bericht aus Rumbek, 05. März 2006 (Der Neubau der Schule Mabor Ngap, Rumbek)

7. Bericht aus Afrika, 28. April 2006 (Am Ende meines ersten Jahres)

8. Bericht aus Rumbek, 10. September 2006 (Nach dem Aufenthalt in Deutschland)

9. Bericht aus Rumbek, 01. November 2006 (Fortschritte bei der Projektarbeit)

10. Bericht aus Rumbek, 04.Februar 2007 (Langsamkeit als Therapie)

11. Bericht aus Rumbek, 31. Mai 2007 (Der Abschluss des zweiten Jahres)

12. Bericht aus Rumbek, 1. Dezember 2007 (Neuanfang als Selbständiger)

13. Bericht aus Rumbek, 22. März 2007 (Volldampf an den Baustellen)

14. Bericht aus Rumbek, 26. April 2007 (Langsamkeit und Stagnation)

15. Bericht über die Arbeit in Rumbek, 30. Juli 2008 (Am Ende des dritten Jahres)

16. Bericht aus Rumbek, 01. März 2009 (Wiedereinleben zuhause in Rumbek)

17. Bericht aus Rumbek, 04. April 2009  (Sand im Getriebe)

18. Bericht aus Rumbek, 25.Juni 2009  (noch mehr Sand im Getriebe)

19. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2009 (Das Ende ist nah!)

21. Bericht aus Rumbek, 04. September 2010 (Auf zum letzten Gefecht)

22. Bericht aus Rumbek, 12. Dezember 2010 (Wirklich der letzte?)

Der letzte Bericht (Ende gut, alles gut!)