10. Bericht aus Rumbek, 04.Februar 2007 "Mit Nietzsche die Langsamkeit entdecken" ist der Titel eines kleinen lesenswerten Buchs, erschienen bei Herder, das der Herausgeber selbst mir für mein zweites Jahr in Afrika als Lektüre mit auf den Weg gegeben hat. Es ist ein schönes Buch, ich lese gerne darin, und es hat mir oft genug Trost gespendet. Wer die Gedanken zur Langsamkeit verinnerlicht, dem fällt das Leben in Afrika leichter. Ich frage mich, ob Herr Nietzsche wohl gerne in Afrika gelebt hätte? Müsste er eigentlich, wenn er es mit dem Plädoyer für die Langsamkeit ernst gemeint hat! Ich kann ein Lied davon singen! Was sich hier in den vergangenen Wochen und Monaten abgespielt hat, da kommt keine Fernsehserie von selbst drauf, wie Herbert Knebel sagen würde! Aber der Reihe nach!
In den folgenden Wochen war Abraham
leider kaum aufzutreiben, weil sehr stark anderweitig beschäftigt. Er
sollte/wollte verheiratet werden. Ganze zwei Monate dauerte das Tauziehen
in zähen Verhandlungen mit der Familie der Frau bis schließlich die Zahl der
Kühe als Preis für die Braut vereinbart war. Die das Bauprojekt
vorbereitenden Arbeiten blieben derweil unerledigt, weswegen wir zu Beginn
der Trockenzeit nicht startbereit waren.
Zu diesem Zeitpunkt war ich noch immer im Glauben, wir könnten im Verlauf des November mit ersten vorbereitenden Arbeiten und Anfang Dezember mit Bauarbeiten beginnen. Aber ach, es kam anders! Mit einer offiziellen Bekanntmachung wurden Neubauvorhaben untersagt bis das Stadtgebiet vom Vermessungsamt neu vermessen wäre. Das sollte bis Ende Dezember geschehen, ist aber bis heute nicht abgeschlossen! Wir konnten auf keinen Fall solange warten und wandten uns an den Commissioner, den Leiter der Bezirksregierung, der uns seine volle Unterstützung und einen positiven Bescheid "bis übermorgen" zusagte. Er war für uns die nächsten 10 Tage nicht zu finden! Schließlich ging es zum Bürgermeister, von dort zu den Landvermessern und in der Folgezeit zwischen den Stellen hin und her. Eines Tages legte ich auf meinen Wegen zwischen den Büros 58km mit dem Rad zurück! Am schlimmsten sind die Landvermesser! ... "Der Plan ist mit Maker, der ist in Juba und kommt morgen zurück. Vielleicht!" "Maker ist zurück, der Plan aber doch nicht bei ihm. Er ist im Schrank, aber Mading hat den Schlüssel. Mading kommt am Freitag aus Karthoum zurück." "Wir benötigen den Plan gar nicht! Er ist ja als Datei im Computer, aber der Generator ist defekt!" "Der Generator läuft wieder, aber wir können gar nichts machen! Im Schreiben vom Bürgermeister muss die Größe des Grundstücks korrekt vermerkt sein!" Der Bürgermeister korrigiert die Angabe, damit sie dann später vom Vermesser wieder zurückgesetzt wird. ... Es ist zum Haare raufen! Aber "in der Ruhe liegt die Kraft!" Das Grundstück, das die Dinka-Chiefs der Schule vermacht haben, ist bis heute nicht vermessen!
Besonders wichtig für die Baumaßnahme war
unsere Absprache mit UNICEF. Bereits im September war die Einrichtung einer
Wasserhandpumpe versprochen worden, ohne die die Bauarbeiten quasi unmöglich
erschienen. Das Versprechen wurde auch mehrfach erneuert, und erst als
es Anfang Dezember endlich soweit war, dass wir die Stelle zum Bohren
bezeichnen konnten, traten die Probleme auf. Ohne auch diese
Trauergeschichte in ihrer ganzen schmerzlichen Länge erzählen zu wollen nur
soviel, die Pumpe ist nach wie vor nicht installiert! Vorige Tage wurde uns
nur mitgeteilt, dass das Versprechen haltlos war und gar nicht hätte gegeben
werden dürfen. Die Bohrteams folgen einem genauen Plan und befinden sich
weit außerhalb Rumbeks.
Volker,
Jörg und ich sind unterdessen nicht untätig gewesen und können schon auf
einige Resultate und Erfolge verweisen! Wir haben die Dinka-Chiefs
getroffen, uns vorgestellt und sie über unsere Pläne informiert. Diese
Meetings sind sehr wichtig, damit die Menschen der Gegend sich mit dem
Projekt identifizieren und uns nicht als Eindringlinge betrachten. So scheint alles doch noch ein gutes Ende zu finden. "Der Weg ist das Ziel und alles wird gut!" Ich wünschte, ich hätte mir schon die Gelassenheit zueigen gemacht, mit der ich diese andauernden Verzögerungen ruhig hinnehmen würde. Aber dazu bin ich ja hier, um das zu lernen! Die Einheimischen sagen uns Weißen: "Seht, ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit!" In diesem Sinn, mit herzlichen Grüßen aus Rumbek, Martin Grütters
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Spendenkonto: Das Konto ist inzwischen geschlossen! Ganz herzlichen Dank noch einmal an alle, die zu den Projekten der vergangenen Jahre ihren Beitrag geleistet haben! |
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Die folgenden Links führen zu den weiteren Berichten: 1. Bericht aus Rumbek, 15. Mai 2005 (Die ersten Eindrücke) 2. Bericht aus Rumbek, 18. Juni 2005 (Hilfsprojekt für IDPs) 3. Bericht aus Rumbek, 21. August 2005 (Erstaunliches aus der Dinka-Kultur) 4. Bericht aus Rumbek, 20. Oktober 2005 (Über das Leben der Menschen in Rumbek) 5. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2005 (Die Schule Mabor Ngap, Rumbek) 6. Bericht aus Rumbek, 05. März 2006 (Der Neubau der Schule Mabor Ngap, Rumbek) 7. Bericht aus Afrika, 28. April 2006 (Am Ende meines ersten Jahres) 8. Bericht aus Rumbek, 10. September 2006 (Nach dem Aufenthalt in Deutschland) 9. Bericht aus Rumbek, 01. November 2006 (Fortschritte bei der Projektarbeit) 11. Bericht aus Rumbek, 31. Mai 2007 (Der Abschluss des zweiten Jahres) 12. Bericht aus Rumbek, 1. Dezember 2007 (Neuanfang als Selbständiger) 13. Bericht aus Rumbek, 22. März 2007 (Volldampf an den Baustellen) 14. Bericht aus Rumbek, 26. April 2007 (Langsamkeit und Stagnation) 15. Bericht über die Arbeit in Rumbek (Am Ende des dritten Jahres) 16. Bericht aus Rumbek, 01. März 2009 (Wiedereinleben zuhause in Rumbek) 17. Bericht aus Rumbek, 04. April 2009 (Sand im Getriebe) 18. Bericht aus Rumbek, 25.Juni 2009 (noch mehr Sand im Getriebe) 19. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2009 (Das Ende ist nah!) 20. Bericht aus Rumbek, 31. März 2010 (Start der letzten Runde) 21. Bericht aus Rumbek, 04. September 2010 (Auf zum letzten Gefecht) 22. Bericht aus Rumbek, 12. Dezember 2010 (Wirklich der letzte?) |