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10. Bericht aus Rumbek, 04.Februar 2007

"Mit Nietzsche die Langsamkeit entdecken" ist der Titel eines kleinen lesenswerten Buchs, erschienen bei Herder, das der Herausgeber selbst mir für mein zweites Jahr in Afrika als Lektüre mit auf den Weg gegeben hat. Es ist ein schönes Buch, ich lese gerne darin, und es hat mir  oft genug Trost gespendet. Wer die Gedanken zur Langsamkeit verinnerlicht, dem fällt das Leben in Afrika leichter. Ich frage mich, ob Herr Nietzsche wohl gerne in Afrika gelebt hätte? Müsste er eigentlich, wenn er es mit dem Plädoyer für die Langsamkeit ernst gemeint hat! Ich kann ein Lied davon singen! Was sich hier in den vergangenen Wochen und Monaten abgespielt hat, da kommt keine Fernsehserie von selbst drauf, wie Herbert Knebel sagen würde! Aber der Reihe nach!

Seit meiner Rückkehr aus Deutschland im August war ich mit den Planungen und Vorbereitungen für den nächsten Schulbau befasst. Abraham Malual, ein in der Diözese von Rumbek und bei den Jesuiten sehr engagierter Katechist und Schulleiter einer Vorschule, hatte mir den "Projektantrag" zur Erweiterung seiner "Sunrise Nursery School" ja schon mit auf den Weg nach Deutschland gegeben. Er freute sich dann sehr, als ich ihm nach meiner Rückkehr mitteilte, dass die Mittel ausreichten, um die Pläne zu verwirklichen. Auf Empfehlung des Erziehungsministers der Region wurde statt der Erweiterung der bestehenden Schule ein Neubau in einem noch völlig unentwickeltem Gebiet Rumbeks beschlossen. Der Name für die neue Schule war schnell gefunden, "Panda Nursery School" wird sie heißen. Damit wird nicht nur auf die possierlichen, Bambuslaub fressenden Bären angespielt, sondern "Panda" bedeutet in Dinka "Unser Zuhause".

Abraham Malual

In den folgenden Wochen war Abraham leider kaum aufzutreiben, weil sehr stark anderweitig beschäftigt. Er sollte/wollte verheiratet werden. Ganze zwei Monate dauerte das Tauziehen  in zähen Verhandlungen mit der Familie der Frau bis schließlich die Zahl der Kühe als Preis für die Braut vereinbart war. Die das Bauprojekt vorbereitenden Arbeiten blieben derweil unerledigt, weswegen wir zu Beginn der Trockenzeit nicht startbereit waren.
Unterdessen war ich mit dem Zeichnen der Pläne und dem aufwendigen Antrag für ein QIP (=Quick Impact Project) bei UNMIS, der Blauhelmtruppe der Vereinten Nationen im Sudan, beschäftigt. Es geht dabei um eine größere finanzielle Zuwendung, mit der die schnelle Durchführung des Projekts gewährleistet werden soll (quick=schnell!).  Beim Einreichen des Antrags wurden wir gleich darauf vorbereitet, dass das Auswahlverfahren für die QIPs an zentraler Stelle in Karthoum erfolgen und zwei bis drei Monate dauern würde. Na schön, so hatten wir damit also erst einmal Ruhe.

Anfang November kamen zwei weitere Jesuitenvolontäre, Volker und Jörg, um mich bei der Arbeit zu unterstützen. Wir verstehen uns sehr gut, und ich bin froh auch über die Gesellschaft. Gleich in den ersten Tagen, wir waren auf Rädern in Rumbek unterwegs damit sie den Ort schnell kennen lernten, gab es eine Schießerei im Stadtzentrum. Ein Motorradfahrer war bei einem selbst verursachten Verkehrsunfall ums Leben gekommen, der Fahrer des anderen Fahrzeugs ins Gefängnis geflüchtet. Denn die Verwandten des Toten stellten ihm nach, um Rache zu üben. Zur Beruhigung der Lage verhängte der Gouverneur eine Ausgangsperre von 19:00h-7:00h, die 10 Tage andauerte. Eine erste typische Rumbek-Erfahrung für Volker und Jörg! Von nun an waren sie „mittendrin statt nur dabei!“

Mit Volker und Jörg am Flugplatz

 

In diesen Tagen waren wir dann zur Hochzeit von Abraham eingeladen, die traditionell einen Tag beim Bräutigam und an einem zweiten bei der Braut gefeiert wurde. Es war für uns wirklich eine Ehre dabei sein zu dürfen und auch als Zeichen der Wertschätzung gemeint.

Es wurde munter getanzt und ...

...gut für das leibliche Wohl  gesorgt

Zu diesem Zeitpunkt war ich noch immer im Glauben, wir könnten im Verlauf des November mit ersten vorbereitenden Arbeiten und Anfang Dezember mit Bauarbeiten beginnen. Aber ach, es kam anders! Mit einer offiziellen Bekanntmachung wurden Neubauvorhaben untersagt bis das Stadtgebiet vom Vermessungsamt neu vermessen wäre. Das sollte bis Ende Dezember geschehen, ist aber bis heute nicht abgeschlossen! Wir konnten auf keinen Fall solange warten und wandten uns an den Commissioner, den Leiter der Bezirksregierung, der uns seine volle Unterstützung und einen positiven Bescheid  "bis übermorgen" zusagte. Er war für uns die nächsten 10 Tage nicht zu finden! Schließlich ging es zum Bürgermeister, von dort zu den Landvermessern und in der Folgezeit zwischen den Stellen hin und her. Eines Tages legte ich auf meinen Wegen zwischen den Büros 58km mit dem Rad zurück! Am schlimmsten sind die Landvermesser! ... "Der Plan ist mit Maker, der ist in Juba und kommt morgen zurück. Vielleicht!"  "Maker ist zurück, der Plan aber doch nicht bei ihm. Er ist im Schrank, aber  Mading hat den Schlüssel. Mading kommt am Freitag aus Karthoum zurück." "Wir benötigen den Plan gar nicht! Er ist ja als Datei im Computer, aber der Generator ist defekt!" "Der Generator läuft wieder, aber wir können gar nichts machen! Im Schreiben vom Bürgermeister muss die Größe des Grundstücks korrekt vermerkt sein!" Der Bürgermeister korrigiert die Angabe, damit sie dann später vom Vermesser wieder zurückgesetzt wird. ... Es ist zum Haare raufen! Aber "in der Ruhe liegt die Kraft!" Das Grundstück, das die Dinka-Chiefs der Schule vermacht haben, ist bis heute nicht vermessen!

Besonders wichtig für die Baumaßnahme war unsere Absprache mit UNICEF. Bereits im September war die Einrichtung einer Wasserhandpumpe versprochen worden, ohne die die Bauarbeiten quasi unmöglich erschienen. Das Versprechen wurde auch mehrfach erneuert, und erst als  es Anfang Dezember endlich soweit war, dass wir die Stelle zum Bohren bezeichnen konnten, traten die Probleme auf. Ohne auch diese Trauergeschichte in ihrer ganzen schmerzlichen Länge erzählen zu wollen nur soviel, die Pumpe ist nach wie vor nicht installiert! Vorige Tage wurde uns nur mitgeteilt, dass das Versprechen haltlos war und gar nicht hätte gegeben werden dürfen. Die Bohrteams folgen einem genauen Plan und befinden sich weit außerhalb Rumbeks.
Neue Hoffnung gibt es durch das Infrastrukturministerium, das sich jetzt darum kümmert. Unterdessen organisieren wir den Wassertransport mit Frauen aus der Gegend vom nächsten Brunnen in 800m Entfernung. Geschätzt wurde für die Bauarbeiten ein Bedarf von 150.000 Litern!

Volker, Jörg und ich sind unterdessen nicht untätig gewesen und können schon auf einige Resultate und Erfolge verweisen! Wir haben die Dinka-Chiefs getroffen, uns vorgestellt und sie über unsere Pläne informiert. Diese Meetings sind sehr wichtig, damit die Menschen der Gegend sich mit dem Projekt identifizieren und uns nicht als Eindringlinge betrachten.
Wir haben zwei Container gekauft, die in schwierigen Manövern vor Ort abgeladen wurden, die Fundamentgräben der Klassenraumgebäude sind bereits ausgehoben, Sand, Steine und Zement wurden angeliefert, so dass die Betonierarbeiten beginnen können, und Jörg und Volker haben die Fenster-/Türrahmen für die Klassenräume fertig gestellt.
Auch weitere Organisationen konnten wir als Projektpartner gewinnen. Eine schwedische NGO wird Wellbleche für die Dachdeckung beisteuern, WFP hat den Antrag für "Food for Work" bewilligt und uns 8 Wasserfässer zur Verfügung gestellt und, last but not least, UNMIS hat im ersten Auswahldurchgang unseren Antrag für ein QIP als Musterantrag zur Bewilligung dringend empfohlen, so dass wir mit einer Finanzspritze von 15.000,-$ rechnen dürfen. Damit können wir vielleicht auch noch Mobiliar für die Schule anfertigen.

So scheint alles doch noch ein gutes Ende zu finden. "Der Weg ist das Ziel und alles wird gut!" Ich wünschte, ich hätte mir schon die Gelassenheit zueigen gemacht, mit der ich diese andauernden Verzögerungen ruhig hinnehmen würde. Aber dazu bin ich ja hier, um das zu lernen! Die Einheimischen sagen uns Weißen: "Seht, ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit!"

In diesem Sinn,

mit herzlichen Grüßen aus Rumbek, Martin Grütters

 

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Das Konto ist inzwischen geschlossen! Ganz herzlichen Dank noch einmal an alle, die zu den Projekten der vergangenen Jahre ihren Beitrag geleistet haben!

 

 

Die folgenden Links führen zu den weiteren Berichten:

1. Bericht aus Rumbek, 15. Mai 2005 (Die ersten Eindrücke)

2. Bericht aus Rumbek, 18. Juni 2005 (Hilfsprojekt für IDPs)

3. Bericht aus Rumbek, 21. August 2005 (Erstaunliches aus der Dinka-Kultur)

4. Bericht aus Rumbek, 20. Oktober 2005 (Über das Leben der Menschen  in Rumbek)

5. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2005 (Die Schule Mabor Ngap, Rumbek)

6. Bericht aus Rumbek, 05. März 2006 (Der Neubau der Schule Mabor Ngap, Rumbek)

7. Bericht aus Afrika, 28. April 2006 (Am Ende meines ersten Jahres)

8. Bericht aus Rumbek, 10. September 2006 (Nach dem Aufenthalt in Deutschland)

9. Bericht aus Rumbek, 01. November 2006 (Fortschritte bei der Projektarbeit)

11. Bericht aus Rumbek, 31. Mai 2007 (Der Abschluss des zweiten Jahres)

12. Bericht aus Rumbek, 1. Dezember 2007 (Neuanfang als Selbständiger)

13. Bericht aus Rumbek, 22. März 2007 (Volldampf an den Baustellen)

14. Bericht aus Rumbek, 26. April 2007 (Langsamkeit und Stagnation)

15. Bericht über die Arbeit in Rumbek (Am Ende des dritten Jahres)

16. Bericht aus Rumbek, 01. März 2009 (Wiedereinleben zuhause in Rumbek)

17. Bericht aus Rumbek, 04. April 2009  (Sand im Getriebe)

18. Bericht aus Rumbek, 25.Juni 2009  (noch mehr Sand im Getriebe)

19. Bericht aus Rumbek, 20. Dezember 2009 (Das Ende ist nah!)

20. Bericht aus Rumbek, 31. März 2010  (Start der letzten Runde)

21. Bericht aus Rumbek, 04. September 2010 (Auf zum letzten Gefecht)

22. Bericht aus Rumbek, 12. Dezember 2010 (Wirklich der letzte?)

Der letzte Bericht (Ende gut, alles gut!)