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Die Tage mit Roberto und seiner Familie
Weihnachten / Neujahr 2003-2004
 

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Es war auf der "Rodovia Castello Branco" in Richtung Sao Paulo an der Raststätte Tambuco, wo ich bei der Suche nach einem Zeltplatz für die Nacht auf der Rückseite  das Gebäudes Roberto und seine Familie traf. Roberto und seine Frau Maria do Carmen haben drei Kinder, Danilo (11 Jahre), Serafim (7) und Maria Eduarda (3). Es sind arme Leute, Landstreicher, die mit einem Rad und selbstgebautem Anhänger, der alles Hab und Gut aufnimmt, durch 's Land ziehen und an den Raststätten von Essenresten leben. Denn so ist es leichter, sich durch zu schlagen, als in dem Lager, wo sie früher lebten und wo sie auf dem Müllberg in Konkurrenz zu vielen anderen Armen und den Geiern und Raben suchen. Aber in dieser Situation, in die Roberto, der früher als Fernfahrer gearbeitet hat, geraten ist, als sein Schwager den gemeinsam gekauften LKW geklaut hat und er verschuldet zurück bleib, in dieser jetzt aussichtslosen Lebenslage hat er sich seine Ehre bewahrt und ist ein ganz aufrichtiger und liebenswürdiger Mensch geblieben, ebenso wie seine Frau und Kinder. Sie alle schlafen in ihren Karren auf einer alten Matratze, und wenn abends die Plane zugezogen ist, hört man sie gemeinsam im Chor ein Vaterunser und ein Ave Maria beten.
Mit ihnen war ich über Weihnachten zusammen an der Raststätte, deren Pächter ebenfalls sehr nette Leute sind. Am Heiligabend habe ich Robertos Familie zum Abendessen eingeladen, ich bin froh, dass sie die Einladung annahmen. Das Essen ist für einen Europäer in Brasilien ja sowieso sehr preiswert, und die Inhaberin der Gaststätte hat auch noch ihren Teil beigesteuert, so dass mich die Tafel für uns sechs Personen nur 6,-€ kostete!
 

 
 


Die Campingidylle auf der Rückseite der Raststätte
 
 


Danilo auf dem Bett, in dem die ganze Familie schläft
 
 
 


Danilo, Serafin und Maria Eduarda
 
 


Vollzeitbeschäftigung Dreiradfahren
 
 
 


Unsere Weihnachtstafel
 
 


Das 1. Abschiedsfoto
 
  Als ich schon am 2. Weihnachtstag weiter fuhr, weil ich von dort nicht nach Deutschland telefonieren konnte, waren wir alle traurig und der Abschied schwer. Zwei Tage später und 220 km weiter bin ich dann umgekehrt, einfach auf 's Geratewohl, um Roberto  wieder zu suchen, von dem ich nicht wusste, wohin er gehen wollte. Auf der "Autobahn", was eine Rodovia praktisch ist, fragte ich an allen Raststätten und an Polizeistationen, ob jemand diese Familie mit dem Rag und dem Karren gesehen hätte. Schließlich hatte ich Glück und fand sie wieder, sah schon von weitem die Bude im Gegenlicht unter Bäumen an einer anderen Raststätte sehen. Es war ein großes Hallo und eine Freude, Roberto machte gleich einen Eintrag in sein Tagebuch über mein Versprechen, dass ich bis über Neujahr bleiben würde.  
 


Unter Bäumen geschützt unser 2. Standort
 


Maria Eduarda und Serafin
 
 
     
Einmal mussten wir noch umziehen, als wir nicht länger geduldet wurden, und verbrachten die weiteren Tage an einer abgetakelten Raststätte am Ortseingang von Laras. Es waren sehr spartanische Verhältnisse dort. Aber immerhin konnten wir die Toilette einer Tankstelle benutzen und hatten Wasser, mit dem wir in einer improvisierten Dusche (rechts) uns sogar waschen konnten.
         
   
 
 
  Die Kleinen, Serafin und vor allem Maria Eduarda, fuhren den Ganzen Tag Dreirad. Mit einer erstaunlichen Ausdauer und Beharrlichkeit hin und her, rauf und runter, es wurden Rampen und Wippen gebaut, und sie hatten Spaß für drei! So wenig reicht Kindern aus, um zufrieden zu sein, wenn das Angebot eben nicht mehr hergibt!
 
 
  Die Leute aus dem Ort brachten ab und zu Reis, ich kaufte ja auch ein, und so wurde immer geköchelt. Wir aßen viel "aroz e fejao" (Reis mit Bohnen), ich konnte es bald nicht mehr sehen, aber immer wieder hallte der Ruf durch 's Land: "O Martin, pega mais, temos bastante!" (= Oh, Martin, nimm noch mehr, wir haben genug!). Ja, herzlichen Dank auch! Ich konnte nicht mehr! Und später, auf meinem weiteren Weg, hörte ich das Echo wann immer ich wieder im Regen fuhr oder an den Steigungen kämpfte: "Martin, pega mais...!"  
 
 
  Danilo, der ältere Sohn, verbrachte die Tage am Weiher und angelte. Pro Tag zog er so ca. 6-10 kleine Fischchen aus dem Wasser, die dann mit einer langen Machete  abgeschuppt, sauber geöffnet und ausgenommen wurden. Dann brutzelten sie in der Pfanne, zusammen mit ein paar Insekten, die 'reingefallen waren. Das war eine willkommene Bereicherung unserer Speisekarte und wurde auch brüderlich geteilt!  
 


Serafin übt Schielen, was ich ihm beibrachte
 


Danilo mit Serafin bei der Fisch-zubereitung
 
         
 

Während der Tage in der Ortschaft Laras habe ich dem Rad von Roberto noch eine Gangschaltung verpasst, original Shimano!, für 7,-€, und für Serafin Sandaletten, die Hawaianas, gekauft, denn er war nur barfuss gelaufen. Am Silvesterabend wurde noch einmal gemeinsam gegessen und beim Neujahrsfest des Dorfs mitgefeiert bis es aus Kübeln goss. Noch einmal wurde alles nass, obwohl wir uns unter einem ausladenden Schleppdach ausgebreitet hatten. Bis alles getrocknet war, waren zwei Tage vergangen, dann nahm ich endgültig Abschied von Roberto und seiner Familie. Sie konnten mir keine Adresse geben, denn sie haben ja keine. Ich denke oft an diese Tage zurück und frage mich, wo Roberto und seine Frau und Kinder wohl jetzt sind. Wenn ich es wüsste, würde ich sie gerne besuchen. Wer weiß, ob sie sich irgendwann einmal bei mir melden? Ich wünsche Ihnen nur alles Gute!